Thomas Schmidt

Kein Platz mehr für Spatzen?

Wer sich im Gartencafé mit leckerem Kuchen verwöhnen will, bekommt bald gefiederte Gesellschaft. Die Spatzen sitzen schon startbereit in den Büschen. Ein besonders kecker kommt herbeigeflogen. Frechheit siegt, scheint er sich zu sagen, hüpft auf den Tisch, schaut uns prüfend an, nähert sich vorsichtig dem Kuchenteller und nascht Schlagsahne und Kuchenkrümel. Schon folgt der zweite, und schließlich ist eine ganze Spatzenschar um uns versammelt. Mit lautem Tschilpen streiten sich die Nimmersatten um die begehrten Näschereien. Ein plötzliches Geräusch oder eine falsche Handbewegung – und schon surren die Spatzen zurück in ihr schützendes Gebüsch. Doch schon bald geht das muntere Treiben von neuem los.

Spatzen sind sehr gewieft, wenn es um das Überleben in der Stadt geht. Vor langer Zeit, als bei uns noch Pferdefuhrwerke das Straßenbild bestimmten, pickten Spatzen Haferkörner aus den Pferdeäpfeln und konnten sich wie im Schlaraffenland fühlen. Längst mußten sie sich umstellen. Flink schnappen sie den hungrigen Tauben das Futter vor dem Schnabel weg, picken tote Insekten von geparkten Autos ab und haben auch nichts gegen Pommes frites und Brotreste, die auf dem Boden herumliegen. Gern brüten sie in Hecken, Gebüschen oder im Efeu und Wilden Wein an Hauswänden, schrecken aber auch nicht vor Nischen in Bürohauswänden, Leuchtreklamen und lärmenden Bahnhofshallen zurück.

Als Überlebenskünstler sind Haussperlinge fast auf der ganzen Welt in großer Zahl zu Hause. Immer wieder können wir sie beim Plantschen in Pfützen oder im Winter als Gäste am Futterhäuschen beobachten. Doch seit einigen Jahren bekommen wir diesen Allerweltsvogel immer seltener zu Gesicht. In einem Hamburger Stadtteil hat man einmal nachgezählt: Von 1983 bis 1993 ging die Zahl der Spatzen um rund 60 Prozent zurück. Die Spatzen pfeifen es nicht von den Dächern, aber die Vogelkundler vermuten, daß die Vögel in den vielen übertrieben gepflegten Gärten und Parks nicht mehr genug Insekten finden. Damit fehlt das Kraftfutter für die Spatzenkinder. Auch ist es für ein verliebtes Spatzenpärchen nicht mehr so leicht, in der Stadt mit ihren sanierten Altbauten und ihren Glasfassaden einen Nistplatz zu finden. Hoffentlich werden die Städte bald wieder wohnlicher für unsere Spatzen, damit wir uns weiter über die frechen Piepmätze freuen können.

Copyright bei Thomas Schmidt Naturfoto

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