Thomas Schmidt

Djück, Pink, Zizibä –
eine kleine Einführung in die Vogelsprache

Jetzt im Frühling versüßen uns die Vögel durch ihre Laute und Gesänge die Gartenarbeit. Wenn früh morgens die Amsel in einer Baumspitze feierlich flötet, stimmen alsbald ringsum die Amselnachbarn mit in den Gesang ein. Dabei wird man nie beobachten, daß die Mitglieder dieses Chors dicht nebeneinander singen. Gleichmäßig sind sie in größeren Abständen über die Gärten verteilt. Jedes Amselmännchen markiert nämlich durch den Gesang sein Revier, eine kräftesparende Methode. Sollte es allerdings nicht gelingen, Revierstreitigkeiten durch Gesang allein zu schlichten, kämpfen die Amselhähne mitunter Mann gegen Mann, daß die Federn fliegen. Dabei lassen sie ein durchdringendes Tixen vernehmen, das sich bis zu einem heftigen Zetern steigern kann. Ein Amselmännchen möchte natürlich nicht als Single in seinem Revier leben. Sein melodisches Flöten hilft ihm, ein Weibchen zu becircen. Unverpaarte Amseln singen häufiger und intensiver als verpaarte ... Parallelen bei Menschen nicht ausgeschlossen.

Vogelkundler haben in mühseliger und langwieriger Arbeit Rufe und Gesänge der Amsel und weiterer Vögel systematisch erfaßt und so einen Einblick in das Vokabular dieser Tiere gewonnen. Wer z.B. im Garten arbeitet und eine Amsel beim Regenwurmziehen stört, wird oft ein einsilbiges dumpfes »Duck« oder »Djück« hören. Übersetzt in unsere Sprache, bedeuten diese Rufe so viel wie »Achtung, Bodenfeind!« Donnert ein Flugzeug über uns hinweg, sieht die Amsel darin einen Luftfeind. Sie stößt ein sehr hohes gedehntes »Ziiii« aus. Natürliche Luftfeinde, wie Greifvögel, können diesen Warnlaut nur schwer orten.

Das machen sich auch andere Vögel, wie Buchfink oder Kohlmeise, zunutze. Sie haben diesen Luftfeind-Ruf ebenfalls in ihr Repertoire aufgenommen. In allgemeinen Alarmsituationen hört man vom Buchfink ein aufgeregtes »Pink, pink«. Bei der Kohlmeise halten die Partner eines Paares mit einem ähnlichen »Pink, pink« Kontakt miteinander. Nähert sich eine Katze einer in einem Nistkasten brütenden Kohlmeise, wird sie sofort durch heftiges Fauchen und Zischen vom Höhleneingang vertrieben. Spielt man einer Kohlmeise über Lautsprecher den Gesang einer Blaumeise vor, wird sie nicht darauf reagieren. Die Kohlmeise versteht nur den arteigenen Gesang. Dieser wird allerdings sofort beantwortet, und zwar umso heftiger, je näher dem Revierzentrum sich der Lautsprecher befindet. Dann kommt es sogar vor, daß die Kohlmeise die Lautsprechermembran heftig attackiert, weil sie darin einen Rivalen vermutet. Jede Kohlmeise kann ihren Gesang variieren. Mal singt sie »Zui-ti-zui-ti«, dann wieder »Zizibä-zizibä« oder »Zi-däh-zi-däh«.

Eine Amsel verfügt für ihren Gesang über nicht weniger als hundert verschiedene Strophentypen. Der Stimmumfang erstreckt sich über vier Oktaven (eine ausgebildete menschliche Stimme kann maximal dreieinhalb Oktaven überspannen). Manche Vögel sind also wahre Stimmakrobaten. Übrigens – sollten Sie meinen, daß Ihnen jemand hinterherpfeift, kann es durchaus sein, daß es nicht der Nachbar war, sondern eine Amsel, die den menschlichen Pfiff perfekt imitiert hat.

Copyright bei Thomas Schmidt Naturfoto

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